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hISTORISCHE rOMANE
 

Fiktion und die historische Realität

Als Elsbeth und Hans im Roman „Ein Kleid für die Königin“ im Mai 1251 vor ihrem Lehnsherrn flüchten, ist der letzte Stauferkaiser Friedrich II. schon einige Monate tot. Als Nachfolger in der staufischen Herrscherlinie regierte nun sein Sohn aus zweiter Ehe, Konrad IV., der bereits im Februar 1237 als Achtjähriger in Wien zum König gewählt wurde. Allerdings erkannte ihn die Kirche damals nicht als Herrscher an und so wurde 1246 Heinrich Raspe von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt. Dieser starb allerdings bereits im Dezember 1247 und ihm folgte Wilhelm von Holland auf dem Thron. Nach wie vor gibt es also zwei Könige und Konrad IV. zieht sich in das staufische Kernland im Süden des Reiches zurück. Die Kirche verfolgt ihre eigenen Interessen im Ränkespiel der Macht: Papst Innozenz IV. exkommuniziert Konrad im April 1251. In dieser Zeit muss die Stadt Hall ihre Reichsunmittelbarkeit gegen die Schenken von Limpurg verteidigen, die sich im Umfeld der geschwächten Staufer selbstsicher geben und ihren Einfluss vergrößern wollen. Diese wollen sich Hall untertan und zum Zentrum ihres Besitzes machen, da der Abbau von Salz hohe Gewinne verspricht. So kommt es immer wieder zu kämpferischen Auseinandersetzungen.


Hier treffen Fiktion und die historische Realität aufeinander. Elsbeth und Hans bekommen die Auseinandersetzung unmittelbar zu spüren, da die Schenken einen Warentransport zur Pfingstmesse nach Nördlingen überfallen und Wochen später Raubritter beauftragen, Adelheid, die Tochter des wohlhabenden Haller Kaufmanns Hildebrand von Vellberg, zu entführen, um Lösegeld zu kassieren. Im Zentrum des Lebens in Hall steht der Adelheidshof, ein mächtiges, dreistöckiges Haus aus Stein. Hildebrand von Vellberg, ein erfolgreicher Kaufmann, der mit Salz und Stoffen handelt, hat es erbaut und es scherzhaft so nach seiner Tochter benannt. Das Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche St. Michael steht übrigens noch heute in der Salzsiederstadt – es hat allerdings im Laufe der Jahrhunderte den mittleren Teil seines Namens eingebüßt und ist heute als „Adelshof“ zu einem bekannten Hotel geworden.


Konrad IV. wiederum beabsichtigt, im Oktober mit einem Tross in den italienischen Reichsteil zu ziehen, um in Sizilien seine legitimen Herrschaftsansprüche durchzusetzen. Zuvor erfährt er, dass seine Frau Elisabeth von Bayern endlich schwanger ist. Daher hat sich Konrad IV. dazu entschieden, der Königin zum Abschied ein außergewöhnliches Kleid von unübertroffener Schönheit zu schenken und dafür einen Wettbewerb ausgelobt. Den Historikern ist diese Geste immer verborgen geblieben und so spielt sie nur im Roman „Ein Kleid für die Königin“ eine Rolle – ja wird zu einem zentralen Element. Zur Auswahl zugelassen wurden jene beiden Zünfte, die ihre Bewerbung mit der großzügigsten Spende verbunden hatten. Im Wettbewerb überzeugt Adelheid, die Nichte des Schneidermeisters Leodegar, mit dem Entwurf, den beide angefertigt haben und sie erhalten den Auftrag, das Kleid für die Königin zu schneidern.


In kirchengeschichtlicher Hinsicht spielen die Waldenser, die von der Kirche als Ketzer gebrandmarkt werden, eine wichtige Rolle: Balthasar, der Schwager des Kaufmanns Hildebrand von Vellberg und von dessen Bruder Leodegar, dem Schneidermeister, ist ein angesehener „Magistri“ dieser Bewegung. Papst Gregor IX. hatte bereits 1231 offiziell die Inquisition angeordnet. Er entzieht den örtlichen Bischöfen, die sich nicht selten als bestechlich erwiesen haben, das Verfahren und setzt dafür Franziskaner und Dominikaner ein, die von Ort zu Ort ziehen und dort die Inquisitionsprozesse durchführen. Der Inquisitor Dominikanerpriester Bruder Christian taucht im Auftrag des Bischofs von Würzburg, Gerhard von Hahnental, am 12. August 1251 in Hall auf. Alle Bürger werden dazu aufgerufen, sich vor der Kirche St. Michael zu versammeln. Es gibt eine Heilige Messe und Christian fordert die Bürger von Hall dazu auf, Ketzer anzuzeigen. Zeigen sich diese bereit, reumütig in die Obhut der Kirche zurückzukehren, stellt Pater Christian ihnen eine geringere Strafe in Aussicht. Doch die Jagd auf Abtrünnige wird auch dazu genutzt, mit persönlichen Feinden abzurechnen. So gerät Hans als Konkurrent des Sieders Waldemar Schilcher in die Fänge der Inquisition und wird verhaftet.

 

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